top of page
Berge

BATNA in der Mediation

Aktualisiert: 17. Nov.

Warum Nicht-Einigungsalternativen zu mehr Klarheit und besseren Lösungen führen

Mediation lebt davon, dass Konfliktparteien wieder handlungsfähig werden – nicht durch Druck, sondern durch Klarheit.


Mediation
4 Std.
Jetzt buchen

Ein zentrales Instrument dafür ist die Analyse sogenannter Nicht-Einigungsalternativen, im internationalen Diskurs als BATNA („Best Alternative to Negotiated Agreement“) bekannt. Dieses Konzept stammt ursprünglich aus der Verhandlungsforschung (Fisher/Ury, „Getting to Yes“) und hat heute einen festen Platz in der Wirtschaftsmediation. Gerade in festgefahrenen Situationen wirkt BATNA wie ein strategischer Kompass: Es macht sichtbar, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, wenn keine Einigung erzielt wird – und welche Konsequenzen ein Scheitern hätte.


1. Was bedeutet BATNA eigentlich?

BATNA beschreibt die beste realistische Alternative, die einer Partei zur Verfügung steht, wenn eine Verhandlung oder Mediation ohne Einigung endet. Es geht dabei nicht um einen „Wunschplan“, sondern um die faktisch umsetzbare, nach außen realistische Option, die eine Partei im Fall des Abbruchs verfolgen würde.

Beispiele dafür sind etwa:

  • gerichtliche Durchsetzung eigener Ansprüche,

  • Kündigung einer Geschäftsbeziehung,

  • Einholen eines alternativen Angebots,

  • interne Umstrukturierung,

  • vollständiger Abbruch der Zusammenarbeit.

BATNA ist damit kein Druckmittel, sondern eine Referenzgröße, die es ermöglicht, rationale, informierte Entscheidungen zu treffen.


2. Warum BATNA in der Mediation besonders wertvoll ist

a) BATNA schafft Realismus in festgefahrenen Situationen

Wenn Konflikte eskalieren, entstehen oft verzerrte Annahmen über Macht, Optionen und Risiken. Die Analyse der Nicht-Einigungsalternativen erzeugt hier kognitive Erdung: Sie ersetzt vage Befürchtungen oder überzogene Hoffnungen durch eine faktische Betrachtung.

b) Oft ist einer Partei nicht bewusst, welche Folgen ein Scheitern hätte

In vielen Verfahren zeigt sich: Entscheidungsgrundlagen sind unvollständig oder auf Vermutungen aufgebaut.

Beispielhafte Fehlwahrnehmungen:

  • „Dann klagen wir eben.“ (ohne Kosten-, Zeit- oder Risikoanalyse)

  • „Der andere ist auf uns angewiesen.“ (ohne realistische Einschätzung von Alternativen)

  • „Es kann nur schlimmer werden.“ (ohne Betrachtung fachlicher Alternativen)

Die BATNA-Analyse macht sichtbar, wie sich ein Scheitern praktisch auswirken würde – finanziell, rechtlich, strategisch und persönlich.

c) Ebenso häufig wissen Parteien nicht, welche Alternativen der jeweils andere hat

Hier entsteht eine der größten Dynamiken in Konflikten: Menschen überschätzen systematisch die eigene Alternativen und unterschätzen die der Gegenseite.

Dies führt zu:

  • überharten Positionen,

  • unrealistischen Forderungen,

  • Fehlkalkulationen,

  • und letztlich zu verhärteten Verhandlungen.

Durch BATNA wird sichtbar:

  • Welche Beweggründe die andere Partei hat.

  • Welche Risiken für sie relevant sind.

  • Welche Alternativen tatsächlich bestehen.

Diese Transparenz schafft Verhandlungsintelligenz und ermöglicht realistischere Annäherungen.


3. Warum BATNA besonders gut in Einzelgesprächen wirkt

Einzelgespräche („Caucus“) sind in der Mediation ein Raum, in dem Offenheit und Reflexion oft leichter möglich sind als im Plenum.

BATNA ist hier hilfreich, weil:

  • Parteien ohne Gesichtsverlust Unsicherheiten äußern können.

  • Optionen nüchtern analysiert werden können, ohne strategische Effekte.

  • man unbeabsichtigte Fehleinschätzungen offenlegen kann.

  • emotionale Konfliktlogiken durch Faktenstrukturen ergänzt werden.

Der Mediator unterstützt dabei nicht durch Empfehlungen, sondern durch strukturierende Fragen, beispielsweise:

  • „Was würden Sie konkret tun, wenn keine Einigung entsteht?“

  • „Welche Kosten, Risiken oder Chancen sind damit verbunden?“

  • „Wie realistisch ist diese Alternative tatsächlich?“

  • „Welche Optionen hätte die andere Partei – und was würde das für Sie bedeuten?“

Diese Reflexion verändert häufig die Bewertung des eigenen Handlungsspielraums – und öffnet den Blick für Lösungen, die vorher ausgeschlossen schienen.


4. BATNA bedeutet nicht Abbruch – sondern Stärkung der Verhandlungsfähigkeit

Der Zweck von BATNA besteht nicht darin, Parteien auf Konfrontation einzustellen. Im Gegenteil:

  • Menschen werden klarer,

  • Einschätzungen werden realistischer,

  • Lösungen werden verlässlicher,

  • das Risiko späterer Enttäuschungen sinkt,

  • und die Einigung wird stabiler.

Gerade in der Wirtschaftsmediation führt BATNA zu besser begründeten Entscheidungen, die sowohl ökonomisch als auch strategisch funktionieren.


5. Fazit: BATNA macht Konflikte verhandelbar

Nicht-Einigungsalternativen sind kein technisches Detail der Mediation, sondern ein Kerninstrument konstruktiver Konfliktbearbeitung. Sie schaffen Klarheit über Handlungsräume, Risiken und Chancen – für jede einzelne Partei und für das gesamte Verfahren.

BATNA:

  • reduziert Fehlannahmen,

  • stärkt die Selbstverantwortung,

  • schafft Entscheidungsfähigkeit,

  • und ermöglicht Lösungen, die dauerhaft tragfähig sind.

Wer Veränderung oder Konfliktlösung professionell gestalten möchte, profitiert von einem strukturierten Blick auf Alternativen – gerade dann, wenn die Verhandlung festgefahren scheint.


Erstgespräch
15 Min.
Jetzt buchen

 
 
 

Kommentare


bottom of page