Kevin – Allein zu Haus 🎁 ist ein OE-Case, kein Weihnachtsfilm
- Christoph Klausing
- 16. Nov.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Nov.
🧩 1. Ausgangslage – ein klassischer Systemkollaps
Wir beginnen mit einer nüchternen Diagnose:
Das System besteht aus ca. 15 Personen.
Es herrscht Weihnachtsstimmung: Überlastung, Zeitdruck und Unklarheit über Verantwortlichkeiten.
Es gibt unterschiedliche Ziele (Urlaub, Organisation, Überleben).
Die Kommunikation ist fragmentiert.
Die Führung (Eltern) ist in starker Unterspannung.
Systemisch betrachtet handelt es sich um eine Bühne für Eskalationen.
🎭 2. Rollenklärung: Fehlanzeige
Eine der ersten Interventionen im Coaching wäre hier:
„Wer übernimmt welche Rolle – und aufgrund welcher Legitimation?“
Im McCallister-System ist diese Frage unbeantwortet.
Eltern sind physisch anwesend, aber organisatorisch überfordert.
Ältere Geschwister haben implizite Macht, aber keine explizite Verantwortung.
Kevin ist formal das jüngste Mitglied, faktisch aber das einzige Systemelement mit Entscheidungsfähigkeit unter Stress.
Die Folge: Rollen entgleiten. Verantwortung wird nicht getragen. Entscheidungen fallen zufällig.
🎤 3. Kommunikationsmuster: Linear, laut, wenig lösungsorientiert
Würde man im Vorgespräch zirkuläre Fragen stellen, ergäbe sich Folgendes:
„Wer sorgt in Ihrer Familie für Orientierung?“– Unterschiedliche Antworten. Keine deckungsgleich.
„Wer ist verantwortlich, wenn Chaos entsteht?“– Niemand ist es, aber alle fühlen sich betroffen.
„Wer spricht eigentlich mit wem – und worüber?“– Viel Lärm. Wenig Information.
Classic.
🧨 4. Konfliktverhalten: Eskalation
Ohne Übertreibung lässt sich die berühmte „Pizza-Szene“ bereits in der Konflikteskalation nach Glasl als Eskalationsstufe 3–4 deuten:
Abwertung
Koalitionsbildung
Schuldzuweisung
Gegenangriffe
Dass am Ende ein Kind beschimpft und in den Dachboden verbannt wird, ist – systemtheoretisch betrachtet – weniger überraschend als dramaturgisch.
Das System hat keine funktionierenden Mechanismen zur Deeskalation.
🏡 5. Die große Reise – und niemand merkt etwas
Wie aus dem Lehrbuch: Systemische Methode: Strukturaufstellung & Ressourcenanalyse. Die Familie schließt das Haus ab, steigt in mehrere Fahrzeuge, fährt zum Flughafen, geht durch Security, besteigt ein Flugzeug, wird verköstigt, setzt sich, fliegt stundenlang – ohne jemals systemisch zu überprüfen:
Wer fehlt?
Welche Ressource (Kind) ist nicht im System enthalten?
Welche Aufgabe wurde nicht erfüllt?
Eine Organisation mit dieser Fehlerkultur würde in einer Auditsituation nicht bestehen.
Aus systemischer Sicht ist es jedoch hochinteressant: Das System bemerkt erst die Diskrepanz, als eine externe Ressource (Stewardess) eine Aktivierung auslöst.
🔧 6. Kevin als emergenter Leader
Kaum ist Kevin allein, zeigt sich ein faszinierendes Muster durch Ressourcenaktivierung & Self-Leadership:
Er aktiviert Ressourcen („Ich mache mir meine eigene Pizza“).
Er übernimmt Führung („Ich verteidige das Haus“).
Er zeigt Selbstwirksamkeit („Ich plane, ich organisiere, ich handle“).
Kevin wird zur unerwarteten „Führungskraft des Systems“.
Dies ist eine typische Dynamik: Systeme erzeugen neue Führung, wenn bestehende ausfällt.
In einem Coaching würde man sagen:
„Kevin betritt seine Rolle.“
🦹 7. Die Einbrecher – externe Störung im System
Systemische Methode: Umgang mit Irritationen / Boundary Management. Harry und Marv sind weniger „Bösewichte“, sondern aus systemischer Sicht externe Störungen, die das instabile System weiter irritieren.
Kevin reagiert darauf mit:
Problemlösungsstrategien
Kreativer Ressourcenallokation
Agiler Improvisation
Kurz: Er ist das einzige Mitglied mit funktionierender Adaptionsfähigkeit.
OE-Fazit: Das System hat ein Talent übersehen und falsch einsortiert.
💬 8. Die eigentliche Mediation findet am Ende statt
Als die Mutter zurückkehrt, kommt es zum (verkürzten) Mediationsmoment:
Anerkennung: „Kevin – es tut mir leid.“
Perspektivwechsel: „Ich hätte besser aufpassen müssen.“
Bedürfnisse: Nähe, Sicherheit, Verantwortung.
Das Reframing ist eindeutig: Kevin war nicht das Problem. Das System war das Problem.






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